Vom Schreiben leben?
01. Mai 2025
In der Wohnung meiner verstorbenen Großeltern hing ein unscheinbares, kleines Bild an der Wand, kein Original natürlich, ein Nachdruck: Dort lag ein älterer Herr mit einer weißen Mütze unter einem aufgespannten Schirm in seinem Bett, er bewohnte augenscheinlich eine ärmliche Dachkammer, und er schien zu arbeiten: Eine Feder klemmte zwischen seinen Lippen, die linke Hand hielt einige beschrieben Papiere. Das berühmte Bild „Der arme Poet“ von Carl Spitzweg sagte mir erst viel später etwas, und doch erscheint mir dieses Bild heute wie ein Blick in die Zukunft, da es auf eine gewisse Art meinen eigenen Lebensweg andeutete. Das, was ich im Folgenden schreibe, gilt für mich, Florian Wacker. Es ist ein subjektiver Bericht (unterlegt mit ein paar Zahlen), und dennoch, so meine leise Hoffnung, mag der Einzelfall dann doch auf etwas Allgemeingültiges hinweisen.
Vom Schreiben leben oder leben, um zu schreiben? Für mich als Autor trifft beides zu. Ja, Schreiben ist mein Leben, damit beschäftige ich mich in all seinen Facetten fast täglich und versuche dabei dann auch, vom Schreiben zu leben, was hier vor allem den finanziellen Aspekt meiner Autorentätigkeit betrifft. Über Geld und Gehalt wird wenig bis gar nicht gesprochen, sei es aus Scham (die, die wenig oder nichts haben), sei es aus Vorsicht (die, die viel haben), das trifft auch auf die Literatur- und Buchbranche zu. Auf den Messen in Frankfurt und Leipzig ist hier und ein leises Raunen zu hören, man habe gehört, dass jemand gehört habe, dass jemand die Vermutung geäußert habe, das Autorin X, dass Autor Y einen sechsstelligen Vorschuss bekäme, nein, nein genaue Zahlen kenne man nicht, man wolle ja nicht spekulieren…
Das Thema Autorschaft und Geld ist ein schwieriges Thema, oft nur ein Geraune, mit Scham und Unsicherheiten behaftet, vor allem im deutschsprachigen Raum, wo sich noch immer hartnäckig das Bild vom Schriftsteller als Genie hält, der sich frei und ungebunden durch die Welt bewegt, dabei nur seinen künstlerischen Neigungen folgt und seiner Kunst alles unterordnet, der leidet und aus diesem Leiden heraus große Literatur hervorbringt. Der Schriftsteller gibt sich nicht mit dem schnöden Alltag ab, und wenn doch, wird auch dieser künstlerisch aufgewertet und der eigenen Erzählung des ungebundenen Genies untergeordnet. Das dieses Bild längst überholt ist und wahrscheinlich so nie wirklich existierte, wissen wohl alle, die versuchen, vom Schreiben zu leben.
Laut einer Studie von ver.di aus dem Jahr 2023 gaben nur 5,7 % der Autor:innen im deutschsprachigen Raum an, hauptsächlich vom Schreiben leben zu können. Der SPIEGEL kam im Jahr 2022 nach einer Befragung unter 3000 Autor:innen zu einer ähnlichen Zahl. Vom Schreiben leben? Für die allermeisten Autor:innen bleibt das ein Wunschtraum, bleibt Alltag als Schriftstellerin oder Schriftsteller ein ständiges Abwägen, Hoffen auf den nächsten Buchvertrag, auf ein Stipendium, bleibt die Frage, ob der Zweitjob nicht doch auf Dauer sicherer und lukrativer ist.
Ich bin seit etwa elf Jahren als Autor tätig in dem Sinne, dass ich mein Schreiben als meinen Beruf auffasse und nicht als Hobby. Daneben arbeite ich aber auch als Webdesigner und versuche so, finanziell einigermaßen auf sicheren Füßen zu stehen. 2014 erschien mein erstes Buch im mairisch Verlag, 14 Erzählungen unter dem Titel „Albuquerque“. Es gab damals einen kleinen Vorschuss von 1000 Euro, verkauft hat sich das Buch trotz vieler positiver Stimmen kaum (bis heute sind es etwa 400 Exemplare). Für literarische Titel, noch dazu, wenn es nicht der klassische Roman ist, sind solche Verkaufszahlen nicht ungewöhnlich, sondern eher die Regel. In einem Feature von Deutschlandradio Kultur sagt der Sachbuchautor Elmar Weixlbaumer zu 2018 erhobenen Daten aus der Buchbranche: „Ein Prozent der in Deutschland angebotenen Buchtitel machen fünfzig Prozent des Umsatzes aus. Und der überragende Großteil, fast neunzig Prozent der derzeit erhältlichen Bücher, schaffen keine hundert Stück zu verkaufen.“
2018 erschien mein Roman „Stromland“ im Berlin Verlag. Dieser verkaufte sich bis heute etwa 850 mal, ich erhielt damals einen Vorschuss von 15.000 Euro. Vorschüsse werden nicht von allen Verlagen gezahlt, gerade Indie-Verlagen fehlen dazu oft die finanziellen Mittel, und so war auch für mich der Wechsel zu einem Publikumsverlag mit der Hoffnung verbunden, vom Schreiben leben zu können. Und natürlich hören sich solche Summen erst einmal groß an, 15.000, 25.000, 40.000 Euro als Vorschuss. Wenn diese Summe dann aber über drei, vier oder fünf Jahr gesteckt werden muss, sowie Steuern und Versicherungen abgezogen werden, schmilzt dieser scheinbare Überfluss schnell zu einem kläglichen Rest zusammen, von dem sich kaum leben lässt.
Um einmal eine stark vereinfachte Rechnung aufzumachen: An „Stromland“ habe ich drei Jahre gearbeitet, das sind pro Jahr 5.000 Euro. Der daraus resultierende Stundenlohn für ein Jahr Arbeit am Roman beträgt 2,6 Euro: 52 Jahreswochen minus 5 Wochen Urlaub sind 47 Arbeitswochen. 5.000 Euro geteilt durch 47 Wochen sind 106 Euro und diese durch eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden geteilt, ergibt 2,65 Euro in der Stunde. Wie gesagt, es ist nur eine vereinfachte, sehr schematische Rechnung, aber sie zeigt doch die ernüchternden finanziellen Umstände, unter denen Autor:innen arbeiten.
Ich treibe die Rechenspiele noch etwas weiter, da mir auf Lesungen immer wieder überraschte (und vielleicht auch leicht entsetzte) Mienen begegnen, wenn ich berichte, wie viel ich als Autor an einem verkauften Buch verdiene: Mein letztes Buch „Zebras im Schnee“ kostet als Hardcover 24 Euro. Ich bekomme von jedem verkauften Buch etwa 10%, also 2,40 Euro, und die auch erst, wenn durch die Verkäufe mein Vorschuss egalisiert (also wieder „hereingeholt“) wurde. Kolleg:innen werden jetzt nur müde lächeln und mir vielleicht aufmunternd auf die Schulter klopfen. Und alle anderen werden hoffentlich von der Vorstellung erlöst sein, dass alle Schriftsteller:innen ein Haus in der Toskana besitzen und einen schnittigen Alfa Romeo Spider fahren.
„Hör auf zu jammern! Dann hättest du halt einen anderen Beruf ergreifen sollen und nicht so eine brotlose Kunst“, könnte man mir zurufen. Nun ist das Schreiben für mich aber weder brotlose Kunst noch irgendeine Liebhaberei; „Autor“ ist mein Beruf wie für viele andere auch (laut Künstlersozialkasse KSK waren zum 1. Januar 2024 etwa 39.000 Menschen im Bereich „Wort“ versichert), und als einen solchen betrachte ich ihn nüchtern im Vergleich zu anderen Berufen.
Denn nein, mein Schreiben als professioneller Autor hat in aller Regel nichts mit Liebhaberei zu tun, ist auch nicht das ekstatische Einprügeln auf die Tastatur (auch wenn Filme so etwas immer mal wieder suggerieren). Mein Alltag besteht vielmehr aus Warterei (auf Zusagen, auf Antworten, auf Honorare), aus meist unbezahlten Vorarbeiten (Verfassen von Ideen, Exposés, Treatments), aus Mails und Telefonaten (mit Lektoren, dem Agenten), besteht aus dem Schreiben zu einer bestimmten Deadline, aus Korrekturen („Kill-your-darlings“-Zeit, Fahnenkorrektur usw.). Das ist alles andere als romantisch, es erfordert eine gute Organisation, Disziplin, Absprachen in der Familie.
Denn ja: Ich existiere nicht nur als Autor, sondern bin gleichzeitig Partner, Vater, Teil einer Gemeinschaft, die ebenfalls gewisse Verpflichtungen mit sich bringen. Meine Frau arbeitet als Gesundheits- und Krankenpflegerin im Schichtdienst, so dass wir uns die gemeinsame Sorgearbeit für unsere Tochter aufteilen; ich koche, kaufe ein, kümmere mich um die Wäsche, empfange meine Tochter nach der Schule, unterstütze sie bei den Hausaufgaben. Der ganz normale Alltag in all seiner nervigen Kleinteiligkeit. Natürlich erlebe ich beim Schreiben auch Glücksmomente, gibt es auch den berühmtem „Schreibrausch“, der mich an einem Vormittag zehn Seiten oder mehr schreiben lässt. Aber diese Momente sind eher selten, dafür dann umso kostbarer!
Vom Schreiben leben? Geht nur wippend. Hier meine Arbeit als Autor, dort meine Arbeit als Webdesigner. Geht eigentlich nur kreiselnd. Hier meine Arbeit als Autor mit drei verschiedenen Texten in unterschiedlichen Phasen (da ist die letzte Korrektur des neuen Krimis, da ist das Exposé eines neuen Romans, da ist die Anfrage für ein Theaterstück), dort meine Arbeit als Webdesigner mit alten und neuen Projekten (da sind zwei neue Angebot, bis jetzt ohne Rückmeldung, da ist eine Anfrage, nicht machbar, und eine zweite Anfrage, machbar, aber Finanzierung noch nicht geklärt).
Ein Beispiel aus meinem Arbeitsalltag: Im Sommer 2020 begann ich die ersten Ideen für eine Krimireihe rund um die Frankfurter Staatsanwältin Greta Vogelsang zu entwickeln. Damals hatte ich dafür keinen Verlag, nicht einmal ein konkretes Interesse; die Arbeit an Exposé, Plot und umfangreicher Leseprobe geschah auf eigenes Risiko. Das Projekt erhielt einige Absagen, rief dann zu meinem Glück aber bei KiWi Begeisterung hervor, so dass der erste Band im Sommer 2023 erschien. Oft gehen Autor:innen in eine unbezahlte Vorleistung, in der Hoffnung, damit bei Verlagen auf Interesse zu stoßen und im besten Fall einen dotierten Vertrag zu erhalten. Erfüllt es sich wie bei meinem Krimi, ist der Plan aufgegangen. Erfüllt es sich nicht, ist ein halbes oder ganzes Jahr Arbeit umsonst gewesen und die Projekte verschwinden in den Schubladen.
„Klingt ja alles interessant, aber du bist doch bei zwei großen Publikumsverlagen, bei Piper und bei Kiepenheuer & Witsch, dein letztes Buch stand auf der SPIEGEL-Bestsellerliste und im Sommer erscheint schon wieder ein neues Buch von dir. Wenn du davon nicht leben kannst, machst du dann nicht irgendwas falsch?“
Natürlich ist es für mich ein Privileg, in zwei großen Publikumsverlagen meine Bücher publizieren zu können und in die Infrastruktur dieser Verlage eingebunden zu sein (Marketing, finanzielle Mittel für Vorschüsse usw.). Und trotzdem verspricht mir das Erscheinen meiner Bücher noch kein sorgenfreies Leben, so als wäre ich quasi im Verlag „angestellt“ und würde über Jahre ein sicheres Einkommen beziehen (so war das vielleicht einmal in einer weit zurückliegenden Vergangenheit). Jedes Buchprojekt wird wieder neu verhandelt, wobei für die Konditionen dann auch die Zahlen des letzten Buches eine Rolle spielen (wie oft hat es sich verkauft, wie waren die Pressereaktionen usw.).
Und noch ein weiterer Aspekt fällt hier ins Gewicht: Es zählt nicht mehr nur die Qualität eines literarischen Textes, sondern auch dasjenige, was ich als Autor als „soziales Kapitel“ mitbringe, d.h. Followerzahlen auf Social Media, Vernetzung, Renommee, Bekanntheit. Dieses symbolische Kapitel wird von den Verlagen in der Presse- und Marketingarbeit genutzt, was sich dann ökonomisch in Form hoher Buchverkäufe und entsprechender Umsätze einlösen soll.
Das ist nicht als Kritik gemeint, es ist nur das, was ich seit längerer Zeit beobachte und in Gesprächen immer wieder höre. Verlage stehen ja in aller Regel auf zwei Säulen: Zum einen schaffen sie immaterielle Werte mit dem Veröffentlichen von Büchern, stoßen Diskurse an, tragen zur kulturellen Bildung bei. Zum anderen sind es aber auch Wirtschaftsunternehmen, die eingebunden in einen Markt ökonomischen Gewinn erwirtschaften sollen/müssen, um Mieten, Gehälter, Vorschüsse, Druck- und Marketingkosten zu bezahlen. Daraus ergibt sich, dass Verlage sichere Einnahmen zu generieren versuchen (durch das soziale Kapitel bestimmter Autor:innen), um damit dann Autor:innen wie mich, die dieses Kapitel nicht oder nur bedingt mitbringen, ebenfalls veröffentlichen zu können.
Einschränkend ist zu sagen, dass diese Art der Querfinanzierung selbst für etablierte Verlage immer schwieriger wird und die Konzentration auf wenige Bestseller-Titel weiter steigt. Verlagsprogramme werde ausgedünnt, Vorschüsse sinken, es wird auf Bewährtes gesetzt. Wie viel wird noch in eine unbekannte Autor:in „investiert“? Bekommt sie die Chance, nach dem Debüt auch noch weitere Bücher zu veröffentlichen? Inwieweit werden Autor:innen überhaupt noch „aufgebaut“ und von Verlagen über viele Jahre begleitet?
Rund 5.000 verkaufte Hardcover-Exemplare gelten heute im belletristischen Bereich bereits als Erfolg. Doch damit vom Schreiben leben? Die Bindung von Autor:innen zu ihren Verlagen ist heute, so mein Eindruck, loser und unverbindlicher geworden. Autor:innen suchen sich für neue Projekte einen anderen Verlag, testen eventuell ihren „Marktwert“, versuchen bessere Konditionen zu erreichen, fahren wie ich mehrgleisig. Zum einen spricht für mich daraus ein neues Selbstbewusstsein der Autor:innen, zum anderen sind es dann aber auch einfach die Bedingungen des Marktes, die dazu führen, sich breiter aufzustellen, verschiedene Optionen zu durchdenken und ggf. auszuprobieren (Literaturagent:innen spielen hier eine wichtige Rolle, aber das wäre ein anderer Text).
Mein Roman „Zebras im Schnee“ hat sich etwa 12.000 mal verkauft, ein Erfolg also (über den ich mich natürlich sehr freue). Doch davon leben? Eine gewisse Zeit ja, aber diese Zeit muss ich nutzen, um über neue Projekte, neue Optionen nachzudenken. „Dann bewirb dich doch auf Stipendien? Nutze die Förderung, die es gibt. Da fällt doch für jeden etwas ab.“ Gut gemeint, aber die Realität sieht doch etwas anders aus.
In Deutschland gibt es etwa 1000 verschiedene Literaturpreise und Literaturstipendien. Da muss doch für jede und jeden etwas dabei sein, oder nicht? Unausgesprochen existiert in Bezug auf Preise und Stipendien eine Art Grenze, eine Linie, die, einmal überschritten, für viele Autor:innen eher zum Nachteil wird: Ich nenne sie die 40-Jahre-Grenze. 2010, mit dreißig Jahren, bekam ich meinen ersten Literaturpreis, es folgten darauf in den nächsten Jahren weitere Stipendien und Auszeichnungen, manchmal mehrere in einem Jahr. Goldene Zeiten. Dann, mit etwa vierzig Jahren, war es plötzlich vorbei. Keine Preise mehr, keine Stipendien. Die Gründe dafür sind verschieden.
Viele Auszeichnungen verstehen sich als Förderung junger Autor:innen, was ich grundsätzlich befürworte, habe ich doch selbst davon profitiert. Allerdings wird „jung“ häufig mit dem tatsächlichen Alter gleichgesetzt: In vielen Bewerbungsvoraussetzungen gilt das Jahr 35 bzw. 40 als Grenze, danach ist eine Bewerbung nicht mehr möglich. So richtig will mir das nicht einleuchten. Warum kann „jung“ nicht vielmehr bedeuten, dass eine Autor:in gerade erst mit dem Schreiben begonnen hat bzw. das Schreiben wieder aufgenommen hat, egal, ob sie nun 28, 45 oder 72 Jahre alt ist? Lebensumstände sind sehr verschieden und können dazu führen, das Autor:innen in den „goldenen Jahren“ bis 35 schlicht keine Zeit, keine Ressourcen, keine Kraft haben, um das Schreiben zum Lebensmittelpunkt zu machen, weil sie durch Elternschaft, Sorgearbeit oder Brotberuf keine Möglichkeit dazu sehen.
Dann falle ich als bereits publizierter Autor auch aus vielen Bewerbungskriterien heraus bzw. steige dadurch von „Förderpreisen“ zu „Hauptpreisen“ auf, für die oftmals gar keine Eigenbewerbung mehr möglich ist, ich also hier mit etablierten Autor:innen konkurriere. Dabei ergibt sich dann das Prinzip des „Winner takes it all“: Der Gewinn eines renommierten Preises führt zu mehr Sichtbarkeit, zu besseren Vernetzung, was weitere Preise und somit Preisgelder nach sich zieht.
Und dann gibt es ja noch Stipendien, hier vor allem Aufenthalts- und Residenzstipendien. Diese werden oft für mehrere Monate an einem bestimmten Ort vergeben, an dem die Autor:innen dann leben und arbeiten sollen und zudem noch eine monatliche finanzielle Zuwendung erhalten. Klingt toll? Das ist es sicher – wenn die Autor:in die richtigen Voraussetzungen mitbringt. Wer Familie hat, wer Angehörige pflegt oder einen Brotberuf hat, dem ist es selten möglich, für mehrere Monate alles hinter sich zu lassen, um in einer Waldhütte, einem Kloster oder einem Bahnwärterhaus sich ausschließlich dem Schreiben zu widmen. Ich selbst bekam 2017 den Mannheimer Feuergriffel, ein dreimonatiges Aufenthaltsstipendium für Kinder- und Jugendbuchautor:innen in der Alten Feuerwache in Mannheim. Meist konnte ich nur zwei oder drei Tage in Mannheim sein, da mein Wegsein unweigerlich mit dem Dienstplan meiner Frau und der Betreuung unserer Tochter kollidierte.
Viele Aufenthaltsstipendien scheinen nach wie vor das oben beschriebene Bild des Spitzweg-Autors vor sich zu haben: unabhängig, ungebunden, bedürftig. Mal etwas überspitzt formuliert: Die Autorin, der Autor wird zum Maskottchen, mit der sich die Stipendiengeber gerne schmücken. Zu den Stipendien gehört meist dazu: eine strenge Residenzpflicht, eher bescheidene Wohnverhältnisse, finanzielle Zuwendungen, die nicht einmal die Mietkosten der eigenen Wohnung decken, die Erwartung, kostenlose Workshops zu geben oder Texte zu verfassen. Und die Möglichkeit, den Partner, die eigenen Kinder mitzubringen? Meistens Fehlanzeige, denn: other writers need to concentrate.
Auch hier meine Frage, mein Wunsch: Warum gibt es nicht viel mehr Stipendien, die auf die Bedürfnisse von sorgearbeitenden Autor:innen ausgerichtet sind (ein positives Beispiel gibt es mittlerweile in Hamburg)? Warum immer sechs Monate am Stück, warum nicht kürzere Zeiträume, warum keine Betreuungsmöglichkeiten, keinen Wohnraum für die Familie? Weil das nicht zu organisieren und zu finanzieren ist, heißt es dann. Ich halte das für vorgeschoben (und das Beispiel in Hamburg beweist, dass es möglich ist). Ja, es ist anstrengend, vielleicht auch kompliziert; in einem Land aber, in dem Familien und Kinder meist sowieso schon im Abseits stehen und in politischen Diskursen eher Nebenrollen spielen, da scheint der Wille und das Engagement, sich um diese Gruppe zu kümmern, nicht sehr ausgeprägt.
Also, wie war das, vom Schreiben leben oder leben, um zu schreiben? Nach jetzt etwa 19.000 Zeichen denke ich: es ist vielschichtig, es ist zutiefst subjektiv. Es gibt nicht den klassischen Weg zum Erfolg (womit ich hier ganz explizit finanziellen Erfolg meine), viel hängt von Zufällen, von Glück, vom richtigen Zeitpunkt ab. Das Ernüchternde ist: Wann und ob dieser Zeitpunkt jemals kommt, ist ungewiss. Das schöne dabei: Mit jedem neuen Buch besteht eine kleine Chance darauf. Vielleicht bricht für mich in einigen Jahren wieder eine „goldene Zeit“ an, vielleicht kommt diese auch nie wieder. Wie auch immer, zur Autorschaft gehört neben Kreativität, Inspiration und Rausch auch die Auseinandersetzung mit den finanziellen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. Darüber nachzudenken und zu schreiben ist ernüchternd, aber es ist notwendig. Weil auch das Teil des Lebens ist und zu einem schreibenden Leben, zu einem Leben im Schreiben, unweigerlich dazugehört.
Die Bilder für diesen Text stammen aus einem Beitrag für Other Writers und der Bayrischen Akademie des Schreibens